Der Bauer, der Büffel und der Tiger - eine Geschichte von Stärke und Weisheit

Der Bauer, der Büffel und der Tiger -  eine Geschichte von Stärke und Weisheit

Zu einer Zeit zur der die Tiere noch sprechen konnten, hatte der Büffel scharfe Schneidezähne und der mächtige Tiger war ein vollkommen goldenes Geschöpf. Eines schönen Nachmittags ergab es sich, dass ein junger Bauer sich unter einem Mangobaum ausruhte. Er und sein Wasserbüffel hatten die Reisfelder den ganzen Morgen lang gepflügt und nun für eine Weile eine Pause eingelegt um etwas zu essen. Während der Büffel graste und der Bauer aß, kam ein Tiger zum Büffel heran. Er forderte Antworten zu Fragen, die ihn schon lange quälten. „Ich habe dich jeden Tag vom Waldrand aus beobachtet“, sagte der Tiger. „Ich habe mit großer Neugier deine Schufterei beobachtet. Wie ist es möglich, dass dieser Mann – ein kleines, aufrecht gehendes Geschöpf das weder große Kraft noch einen scharfen Blick oder einen guten Geruchssinn hat – es schafft, dich zu führen und dich für ihn arbeiten zu lassen. Du bist zehn Mal so schwer und zehn Mal so stark wie er. Deine Hörner sind spitz genug ihn aufzuspießen und deine Hufe sind mächtig genug ihn zu zertrampeln. Die einzige Waffe, die er bei sich trägt ist ein dünner Bambusstock und trotzdem herrscht er über dich und du läufst nicht davon.“ Der Wasserbüffel antwortete mit ruhiger Stimme, „Auch ich war bisher noch nicht in der Lage dieses Rätsel zu lösen, mächtiger Tiger. Egal wie ich die Situation drehe und wende, ich weiß nur eines: ich kann mich niemals selbst von ihm befreien. Welche Macht ihm auch immer innewohnt, nur er kennt ihr Geheimnis.“ Begierig darauf auch solche Macht zu haben beschloss der Tiger schließlich des Bauern zu fragen. Wenn er alle Tiere so beherrschen könnte, wie der Bauer den Büffel beherrschte, müsste er nicht länger auf Jagd gehen. Er könnte stattdessen einfach die Tiere zu sich rufen und sich ein passendes Mahl auswählen. „Bitte sag mir Herr Bauer, welche Macht hast du über den Büffel, dass er dir so willig ist?”, fragte der Tiger den Bauern. „Ich werde es dir verraten, mächtiger Tieger,“ antwortete er, „ich besitze etwas das mir erlaubt über alle Tiere zu herrschen und sie gefügig zu machen. Es nennt sich Weisheit.“
„Ich würde alles dafür geben, wenn ich diese großartige Sache, die ihr Weisheit nennt einmal sehen könnte. „Wärt ihr so freundlich es mir zu zeigen?“, fragte der Tiger.
“Leider habe ich es zu hause gelassen. Weisheit ist zu wertvoll für mich um sie mit aufs Feld zu nehmen. Stattdessen verwahre ich sie in einer goldenen Truhe, welche mit Drachen und Phönixen verziert ist, um sicher zu gehen, dass sie gut geschützt ist. Aber wenn ihr darauf besteht, werde ich zurückgehen und sie für euch holen.“, antwortete der junge Bauer.
Von den Worten des Bauern erfreut, willigte der Tieger ein. „Während deiner Abwesenheit ist es mir eine Ehre über deinen Wasserbüffel zu wachen.“
Der junge Mann antwortete jedoch, “ich habe deinen Magen knurren gehört und bin deshalb ich größter Sorge darüber, dass du meinen Büffel fressen könntest, während ich weg bin. Ich bin auf ihn angewiesen. Wenn ihr euer Einverständnis gebt, werde ich euch an einen Baum binden um beruhigt die Weisheit zu holen, die ihr zu sehen begehrt.“ Der Tiger war so begierig darauf die Weisheit zu sehen, dass er mit allem einverstanden war. Er lief hinüber zur nächsten Palme, streckte seine Pfoten nach oben und sagte: „dann binde mich schon an.“ Darauf hin schlang der Bauer Seile um den Körper des Tigers und band ihn stramm an den Baum bevor er ging. Aber gerissen wie der Tiger war, plante er den Mann anzufallen während er ihn später wieder losband. Er würde den Wasserbüffel fressen, die magische Truhe der Weisheit stehlen und den Rest seiner Tage damit zubringen die Kühe, das Wild und die leckeren Wildschweine zu sich zu rufen und ihnen zu befehlen sich fressen zu lassen. Er würde nie wieder auf die Jagd gehen müssen.
Bald darauf kam der Bauer auch schon wieder zurück. Er trug bündel von Halmen hinter seinem Rücken. Der Tiger konnte es kaum noch abwarten und fragete ihn: „Hast du die Weisheit mitgebracht um sie mir zu zeigen?“
“Aber natürlich, einfältiger Tiger, und ich werde sie dir gleich zeigen”, antwortete der Bauer. „Ich bewahre meine Weisheit nie in einer Kiste, sie ist hier in meinem Kopf. Jetzt werde ich dir beibringen dich von meinem Wasserbüffel fern zu halten.“ Er verteilte die Halme um den Tiger und mit einer brennenden Fackel entflammte er sie.
Der Tieger brüllte vor Schmerz und Wut als die Seile um seinen goldenen Körper brannten. Die Luft roch schon nach dem versengten Fell des Tiegers, als das Feuer die Seile durchbrannte und sich das Tier endlich befreien konnte. Mit einem Satz sprang er von den Flammen davon in den Wald. Der Anblick dieses Spektakels belustigte den Büffel so sehr, dass er sich vor Lachen nicht mehr auf den Beinen halten konnte und mit dem Gesicht auf einen Stein fiel. Beim Aufschlag brach er sich alle Schneidezähne aus. Zwar heilten die Verbrennungen des Tigers im Laufe der Zeit, allerdings wurde er nie wieder die Schwarzen Streifen los, die sich nun über seinen goldenen Körper zogen. Wichtiger jedoch war, dass dem Tiger bewusst wurde, dass seine Stärke niemals die Weisheit des Menschen schlagen konnte. Bis zum heutigen Tag behielt der Tiger seine Streifen und dem Büffel wuchsen nie wieder Schneidezähne.